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Marktmanipulation - Verbrechen oder Ordnungswidrigkeit?

Mit dem 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) wurde im Juli 2016 die Qualifikation der vorsätzlichen Marktmanipulation unter Einwirkung auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments […] geschaffen. Täter, die in Ausübung ihrer Tätigkeit u.a. für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wie beispielsweise eine Bank oder Sparkasse handeln, werden danach mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren bestraft.

Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sanktioniert die Marktmanipulation nach Art. 15, 12 der Marktmissbrauchsverordnung der Europäischen Union (MAR). Gem. § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG handelt lediglich ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig eine Marktmanipulation begeht. Strafbar macht sich aber gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 WpHG wer vorsätzlich einem Marktmanipulation begeht und dadurch auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments […] einwirkt. Erforderlich ist Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung und des Erfolgs, also der Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis.

Wird nun noch die Tat in Ausübung der Tätigkeit für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen also z. B. als Bankmitarbeiter begangen, sieht das Gesetz sogar Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren vor. Die Tat ist damit ein Verbrechen.

Doch ist dies angemessen, wenn man bedenkt, dass damit die Strafbarkeit gleich ist, wie bei einem Raubdelikt?

Diese Spannweite – einerseits Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren und andererseits Geldbuße, die man beispielsweise auch für das Falschparken erhalten kann – überrascht daher.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber im ersten Schritt auch noch versäumt hatte, den minder schweren Fall zu regeln. Dies ist nun korrigiert. Es findet sich in § 119 Abs. 6 WpHG eine entsprechende Strafzumessungsregelung, wonach in minder schweren Fällen auf Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren zu erkennen sein soll. Dennoch verbleibt es bei der vorsätzlichen Marktmanipulation durch einen Bankmitarbeiter bei einem Verbrechen.

Vor allem im Fall der sog. prearranged trades bzw. improper matched orders kann dies zu bemerkenswerten Ergebnissen führen. So hatte bereits das Oberlandesgericht Stuttgart im Jahr 2011 (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. Oktober 2011, Az. 2 Ss 65/11) dazu entschieden. Der Täter hatte aus steuerlichen Gründen an verschiedenen Tagen aufeinander abgestimmte, nahezu zeitgleich erteilte Kauf- und Verkaufsaufträge für von ihm aus seinem eigenen Wertpapierdepot und aus dem seines Lebensgefährten gehaltenen Aktien erteilt, die gegeneinander ausgeführt wurden. Das OLG hatte festgestellt, dass eine Straftat der Marktmanipulation vorliegen kann. Wenn die manipulative Handlung des Täters kausal für die folgende Kursfestsetzung sei, handele es sich um eine Einwirkung auf den Preis eines Finanzinstruments im Sinne des genannten Straftatbestandes. Eine andauernde Beeinflussung des weiteren Kursverlaufs nach einer bereits erfolgten Einwirkung sei nicht erforderlich. D. h., allein durch die Ausführung gegeneinander wird ein Preis festgestellt, der dann schon die Einwirkung darstellen soll. Damit wird – dogmatisch fraglich – faktisch die vorsätzlich begangene handelsgestützte Marktmanipulation ohne Einwirkung auf den Marktpreis, also die Ordnungswidrigkeit, bedeutungslos. Jede vorsätzlich auf diesem Weg begangene Marktmanipulation stellt gleichzeitig eine Straftat dar, da die Einwirkung hiernach gegeben sein soll.

Für den Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, also beispielsweise einer Bank, der im Rahmen seiner Tätigkeit ein solches Geschäft durchführt, bedeutet dies die Bestrafung wegen eines Verbrechens sobald dieser mit Eventualvorsatz handelt.

Die Gerichte haben jedoch die Problematik erkannt. Wegen des erheblichen Strafrahmens gewinnt man aber im Rahmen der Verteidigung dieser Fälle den Eindruck, dass kaum eine Verbrechensverurteilung erfolgt. Die Gerichte gehen häufig (nur) auf das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit zurück. Nicht selten erfolgt die Begründung entweder durch die (vermeintlich) fehlende Einwirkung oder aber durch die Verneinung des Vorsatzes. Die Verteidigung tut gut daran, sollte das Ergebnis eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit sein, das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft zu suchen, damit nicht von deren Seite Rechtsmittel eingelegt wird. Anders empfiehlt es sich jedenfalls bei der Verurteilung wegen eines Verbrechenstatbestands Rechtsmittel einzulegen, damit das Urteil höchstrichterlich überprüft werden kann.

Darüber hinaus muss aber auch grundsätzlich hinterfragt werden, ob nicht der Gesetzgeber über die EU-Richtlinie, die es umzusetzen galt, mit dieser Regelung gänzlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Denn denkbar wäre es auch, zumindest in der letzten Instanz eine Vorlagefrage auf den Weg zu bringen, damit geklärt werden kann, ob bei ganz geringen Umsätzen ohne den Kapitalmarkt beeinflussen zu wollen, z. B. wenn man nur ein Papier transferiert wird, wirklich eine vorsätzliche Marktmanipulation auch nach EU-Recht vorliegen soll.