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Schätzung im Steuerstrafverfahren

BGH Beschluss vom 29. August 2018 - 1 StR 374/18
Wieder einmal hatte sich der 1. Strafsenat mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Schätzung im Steuerstrafverfahren in Betracht kommt. Dem landgerichtlichen Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Angeklagte vertrieb ab August 2008 über einen Webshop sowie über die Internethandelsplattformen eBay und eGun Softairwaffen samt Zubehör. Der Verpflichtung, Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben, kam man in den Jahren 2009 bis 2013 pflichtwidrig nicht nach. Verspätet wurden die Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 bis 2011 eingereicht, wobei darin Umsätze i.H.v. 0,00 EUR erklärt worden waren. Nach Berechnungen des Landgerichts wurde damit Umsatzsteuer i.H.v. 289.345,00  EUR nicht festgesetzt.

Der BGH verwarf die Beweiswürdigung zu den vom Angeklagten verschwiegenen Nettoumsätzen. Richtig seien die Feststellungen, dass die von einem Unternehmer getätigten Umsätze auf sein Geständnis gestützt werden dürften, wenn der Unternehmer den Umfang seiner Umsätze kennt. Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht einschlägig. Der Angeklagte hatte lediglich die Umsatzsteuerhinterziehung dem Grunde nach eingeräumt. Da er aber keine Geschäftsbücher geführt hatte, waren die Umsätze im Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar.

Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen lagen damit zwar grundsätzlich vor, da nach der Rechtsprechung des BGH ein Besteuerungstatbestand erfüllt worden war und lediglich unklar war, in welcher Höhe die Besteuerungsgrundlagen tatsächlich bestanden haben. Dadurch das der Angeklagte den Tatbestand des Handels mit den Softairwaffen bereits eingeräumt hatte, war also der Besteuerungstatbestand gegeben.

Zur Schätzung führte der BGH allerdings aus, dass eine Übernahme von Schätzungen der Finanzverwaltung nur dann in Betracht käme, wenn der Tatrichter von seiner Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden Grundsätze des Strafverfahrens überzeugt sei. Dies hätte darüber hinaus in den Urteilsgründen nachvollziehbar dargelegt werden müssen. Das Landgericht hatte in seinem Urteil weder mitgeteilt, welche Schätzungsmethoden angewandt worden sind, noch die Schätzgrundlagen genannt.

„Das LG hat weder dargelegt, welche Schätzungsmethoden angewandt worden sind, noch werden die Schätzgrundlagen genannt. Der Senat kann daher nicht nachprüfen, ob die vom LG als Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegten Umsätze rechtsfehlerfrei bestimmt worden sind. Die bloße Mitteilung in den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils, die von der Finanzbeamtin vorgenommene Schätzung sei objektiv nachvollziehbar, da sie auf tatsächlich festgestellten Zahlen für andere Zeiträume basiere und offensichtlich möglichst zurückhaltend erfolgt sei, führt zu keinem anderen Ergebnis, da auch dies für den Senat nicht nachprüfbar ist.“

Daher konnte der Senat nicht ausschließen, dass die Feststellungen des Umfangs der vom Angeklagten hinterzogenen Steuern auf eine fehlerhafte Schätzung beruhten, die dann in der Strafzumessung ihre Auswirkung gefunden hatten.

Interessant ist, dass auch die Einziehung des Wertersatzes gem. § 73c StGB aus demselben Grund verworfen wurde.

Wieder einmal hat damit der BGH klargestellt, dass sowohl bei der Beweiswürdigung über die tatsächlich hinterzogenen Umsätze als auch bei Abfassung des Urteils besondere Sorgfalt an den Tag gelegt werden muss.